Samstag, 18. April 2015

Die Geburt


Mein kugeliger Bauch war so groß, größer ging er nicht mehr. Vom errechneten Geburtstermin aus betrachtet, waren wir eine Woche überfällig. An einem Montag sprachen sich dann die Ärzte für eine künstliche Einleitung, am darauf folgenden Freitag aus. Mir war aber überhaupt nicht danach. Erstens, habe ich bis heute noch nichts positives von solchen Einleitungen gehört. Oft sind sie mit Komplikationen verbunden und zweitens, wollte ich gerne der Natur freien Lauf lassen. Mit einem künstlich erzeugten Geburtstag wollte ich mich nicht anfreunden. Ich sprach zu meinem ungeborenem Kind : "Bitte beeile dich mein Schatz, du bist schon hübsch genug und kannst dich auf den Weg machen. Wir warten auf dich."

An einem Mittwochabend gegen 22 Uhr, als der werdende Papa bereits zu Hause war, ging ich nach einem "Hallo, wie geht es dir ?" und "Gute Nacht !" ins Bett.
Dort verspürte ich ein leichtes Ziehen in der Bauchgegend. Ich dachte mir: „Komm bleibe liegen, das hast du dir bestimmt nur eingebildet.“ Aber es kam wieder und wieder. Das machte mich schon etwas unruhig, zumal ich sonst keinerlei Schmerzen zu beklagen hatte. Hingegen andere werdende Mamas zur gleichen Zeit, schon arg mit Problemen kämpften. Ich stand wieder auf und gesellte mich zum Papa, meiner ungeborenen Tochter. Wir sahen noch gemeinsam einen Film an. Im Anschluss daran wollten wir, wenn nötig ins Krankenhaus fahren. Während der Film lief, musste ich auf die Toilette und erschrak sehr, als in meiner Unterhose eine leichte Blutung zu erkennen war. 
"Was jetzt ?" Ist das das Zeichen gewesen, um die gepackte Tasche für das Krankenhaus zu nehmen und los ? Allgemeine Hektik brach aus. Was sollten wir als erstes machen ? Ich rief meine beste Freundin an, die auch als Begleitperson zur Geburt im Kreißsaal eingetragen war. Sie kam bedingungslos in der Nacht mit dem Auto zu mir gefahren und schon waren wir startklar. 

Der werdende Papa statt dessen, blieb zu Hause. Seine Aufgabe war es jetzt, sich um den Hund und die zwei Katzen zu kümmern. Der Hund war sehr nervös und wanderte in der Wohnung unruhig umher. Auch der Papa war etwas aus dem Häuschen und völlig neben der Spur. Er ließ sich vielleicht nichts anmerken, aber wenn ein gestandener Mann, nachts um 1 Uhr sich hinstellt und das Katzenklo reinigt. Das er in 3 Jahren nicht ein einziges mal gemacht hat, dann stimmt da was nicht. Bis heute und darüber hinaus, zaubert mir sein Verhalten ein Lächeln in mein Gesicht.

Auf dem Weg ins Krankenhaus, benahmen wir Mädels uns wie zwei aufgescheuchte Hühner. Wir philosophierten über die bevorstehende Geburt. "Kommt das Kind jetzt wirklich ? Wie viele Stunden wird das wohl dauern ? Was wird jetzt nur geschehen ? und Geht es dem Kind gut ?" Fragen über Fragen, deren Antwort uns nur die Zeit bringen konnte.
Apropos Zeit, es war bereits Donnerstag 2 Uhr.

Im Krankenhaus angekommen, wurden die aktuellen Beschwerden vorgetragen. Die in der Zwischenzeit an Intensität spürbar zugenommen hatten. Folglich bat man mich da zu bleiben und es mir so richtig im "Hotel - Mama" gemütlich zu machen. Unsere Aufregung und Vorfreude, das Glück zu haben, diese Zeit gemeinsam erleben zu dürfen, stieg ins Unermessliche.

Eine erste Untersuchung inkl. CTG ergab, dass noch reichlich Zeit war, um die Geburt vorzubereiten.
Es begann mit einem so genannten Einlauf, der den Enddarm entleerte. Ich selbst hatte einmal das Vergnügen, bei einer Geburt mit dazugehörigem Einlauf dabei zu sein. Nur als Zuschauer versteht sich. Nun hieß es : "Mitten drin, statt nur dabei !" Ich fühlte mich bei dem Gedanken an einen eigenen Einlauf etwas unwohl. Im Nachhinein kann ich berichten, dass es nicht schlimm war. Im Gegenteil, mit der Freundin fürs Leben war es sogar sehr spaßig. So ließen sich auch die Schmerzen der anfänglichen Wehen ertragen.

Aus einem der Nachbarzimmern hörten wir eine bereits wehende Frau, die laut ihren Schreien, ganz furchtbare Schmerzen gehabt haben musste. Ich konnte es nicht lassen und fragte beunruhigt die Hebamme, wie lange bzw. wie weit diese Frau im Vorgang der Geburt ihres Kindes war. Da meinte Sie, dass die Frau jetzt schon seit 9 Uhr des vorangegangenen Tages da sei, mit künstlicher Einleitung und der Fortschritt dem meinen sehr ähnelte. Die Aussage beruhigte mich in Hinsicht auf künstliche Einleitung. So war ich froh, dieser umgangen zu sein und aus meiner Sicht alles nach Plan verlief. Zugleich machte mir die Auskunft der Hebamme wahnsinnige Angst vor den bevorstehenden Schmerzen. 

Zur weiteren Beruhigung und Zeitüberbrückung ließ die Hebamme mir ein schönes warmes Wasser für ein Bad ein. Logisch 3 Uhr nachts kommt mir sonst auch nichts anderes in den Sinn. Aber was soll das, wir machen den Spaß mit und werden das Kind schon schaukeln. Wie froh ich doch war, meine Freundin dabei gehabt zu haben. Was wäre ein Bad ohne Partner zum Reden ? Den Umständen entsprechend, nicht gerade entspannend und langweilig. Von wegen Wirlpool - Badewanne, die ich mir erhoffte. Es leider nur eine ganz normale längliche Wanne, die vielleicht auch bei dir zu Hause steht. Nicht zu Verachten war die Geräuschkulisse. Die Schreie der anderen Frau hörten wir noch deutlicher, da das Badezimmer direkt angrenzte. Ich versuchte zu entspannen, während meine Freundin gegen die Müdigkeit kämpfte. Nach nicht einmal einer halben Stunde, war es mir zu unangenehm im Wasser. Ich wollte wieder heraus. Meine Schmerzen der Wehen hatten an Intensität zugenommen und waren jetzt schon nicht mehr so erträglich. Vielleicht habe ich mir das nur eingebildet, aber bis heute glaube ich, dass sich meine Wehen im Intervall zu den Wehen der gebärenden Frau angepasst haben. Ob das möglich ist oder nur ein Zufall war, das weiß ich nicht !? 

Aus der total tollen Badewanne gestiegen und ins Nachthemd geschlüpft. Sowie ganz der Gewohnheit nach, eine frische Unterhose angezogen. Wäre meine Freundin nicht so müde gewesen, hätte sie mir bestimmt den Rat gegeben die Unterhose gleich weg zulassen. Macht sich beim Kinder gebären besser. Das ist mir aber erst später bewusst geworden.

Es folgte eine Untersuchung mit CTG, dass stets eine halbe Stunde in Anspruch nahm. Danach hieß es wieder warten bis zur nächsten Untersuchung. 

In meinem Zimmer bzw. dem Kreißsaal stand eine Wirlpool - Wanne im Raum. Das ermöglichte mir rundherum um die Wanne zu laufen und war auch so ganz praktisch. Die Wehen wurden langsam immer stärker, so hielt ich mich mit jeder Wehe am Wannenrand fest und atmete die Schmerzen weg, so gut es ging. Meine Freundin stand mir bei, auch wenn sie in dem Moment nicht direkt helfen konnte, war ihre Anwesenheit Gold wert. Die Zeit verging und die andere Frau wehte mit mir gemeinsam bis zur nächsten Untersuchung.

Das Ergebnis der Untersuchung war für mich niederschmetternd. Es würde noch dauern, aber sei gut fortgeschritten. Mit diesen Worten verließ uns die Hebamme wieder und ich wanderte weiter um die Wanne herum. Nur kurze Zeit später waren die Schmerzen so heftig, dass ich Mühe hatte sie wegzuatmen. Mir war so warm, ich schwitzte. Auf einmal verspürte ich das Gefühl ich müsse zur Toilette. Ich schleppte mich regelrecht im gebeugten Wiege-Schritt dort hin und setzte mich. Doch der Druck wurde nicht besser, im Gegenteil er wurde Schlimmer. Dann plötzlich bekam ich angst, mein Kind könnte in das Klo fallen. Das wollte ich nicht. Ich schleppte mich wieder runter und zog an der roten Notfall-Leine um Hilfe.

Die Hebamme kam schnell wieder und wunderte sich, denn es war noch nicht lange her, als sie das Zimmer verließ. Die Hebamme staunte nicht schlecht in welchem Zustand sie mich vorfand. 
Eilig rief sie eine Ärztin herbei und dann ging alles irgendwie schnell.
Ich kauerte, wie ein Hund über einem Sessel, im Bett mit hoch aufgestellter Lehne. Nach jeder Presswehe die kam wollte ich etwas trinken. Meine Freundin hielt mir das Wasser, das so gut schmeckte wie noch nie. Ich glaube, dass ich bei der Geburt meines Kindes so viel auf einmal geatmet habe, wie im ganzen Leben nicht. Plötzlich meinte die Ärztin, ich soll mich auf den Rücken legen, damit sie mir die Fruchtblase aufstechen kann und das Kind freie Bahn hat. Gesagt getan. Da überkam mich ein schwall von Wasser, dass mich überraschte. Es war wirklich wie Wasser. Für einen Bruchteil der Sekunde war ich fasziniert. Dann sagte meine Freundin : "Ich sehe den Kopf ! Ach ist die hübsch!" Ich selbst konnte es nicht glauben. Mir schossen Bilder durch den Kopf, wie das bei Geburten eben aussieht. 

Da bekam ich es mit der Angst zu tun. Irgendetwas in mir brachte mich dazu, statt zu pressen dagegen zu arbeiten und ich verkrampfte. Noch im Vorbereitungskurs wurde mir  Empfohlen zu entspannen, in tiefen Tönen ausatmen und locker bleiben. Ganz nach dem Motto : "Take it easy".
Mich überkam das Gefühl, als wollte ich mein Baby nicht von mir gehen lassen. Immerhin ist es ein erster Schritt, in die Selbstständigkeit der "Abnabelung". Ich war allerdings geradewegs dabei meinem Kind die Luft zu nehmen. Da sah die Ärztin den Anlass darin, einen Dammschnitt durchzuführen. Dieser war kaum spürbar, lediglich ein warmes Brennen, der sich dann in den Schmerzen der Geburt verlor.

Gleich darauf kam mein Kind zur Welt und meine Freundin durchtrennte wie selbstverständlich die Nabelschnur. Es war 7:47 Uhr. 

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