Mittwoch, 22. April 2015

absolutes Mutterglück

Mein Mädchen war geboren. Wie schön, so perfekt und doch so unglaublich. Eben ein Wunder der Natur. Nach dem die Nabelschnur durchtrennt war, gab man mir meine Tochter. Eingewickelt in warmen Handtüchern hielt ich sie im Arm, während wir noch auf die Geburt des Mutterkuchens warteten. Aus den gewickelten Handtüchern schaute ein winziger Kopf hervor. Haare so kurz, kaum erkennbar und so sauber war sie. In meinen Vorstellungen kamen die kleinen Babys immer arg blutverschmiert und mit Käseschmiere umgeben zur Welt. Ich war also fasziniert von meiner Kleinen. Ihre Haut war so weich und warm. Die Hände winzig und die Ärmchen dünn. Sie sah mich die ganze Zeit, mit dunklen Augen an und runzelte die Stirn dabei. Als würde sie die Welt in dem Moment überhaupt nicht mehr verstehen.

Dieser Moment war doch magisch !? Ich machte mir plötzlich Sorgen und war enttäuscht von diesem Augenblick. Die Frauen im Fernsehen und im Bekanntenkreis schwärmten so davon, im Angesicht des Babys, des eigenen Kindes alles zu vergessen und heile ist die Welt. Fehlten mir die Emotionen ?
Litt ich schon unter dem Baby-Blues ? Wo ist es geblieben, das überschwänglichste Gefühl aller Gefühle ? Oder war die Gefühlsduselei nur ein Fake, um die Geburt schön zu reden ? Alleine der Gedanke jetzt Mutter zu sein, war seltsam, aber schön und zugleich auch wieder fremd. Ich fühlte mich zu allem hin und her gerissen.

Inzwischen hatte sich die Plazenta, Namens Mutterkuchen gut gelöst und war bereit für die Geburt danach. Willkommen zur "After Show Party". Ich merkte nur, wie die Ärztin an der noch vorhandenen Nabelschnur langsam zog, bis es nicht mehr weiter ging. Darüberhinaus zog sie im Einklang der Nachwehen etwas mehr. Im Anschluss daran war auch die Plazenta geboren. Ein warmes und weiches Gebilde, dass sich durch den Geburtskanal drängte. Es fühlte sich an, wie ein überdimensionaler und vollgesaugter Tampon, der Entfernt wurde. Schmerzhaft war es nicht, aber merkwürdig schon.

Völlig unerwartet wurde ich gefragt, ob ich die Plazenta mitnehmen möchte !? Ähm ... Moment, warum jetzt ? Nein ! Ich meine wie stellten sie sich das vor ? "Ja packen Sie es ein, meine Freundin hat bestimmt einen Beutel dabei." Das ist mir bis heute ein Rätsel, wie das funktionieren soll. Mir war das fremd und auch eine schräge Vorstellung.

Nach all den Strapazen der Geburt, dachte ich das Schlimmste sei Überstanden. Da hatte ich mich getäuscht. Der Dammschnitt musste wieder genäht werden. Allerdings ging das nicht ohne weiteres. Nein, eine örtliche Betäubung musste her und wie wird diese gesetzt ? Richtig mit einer Spritze. Ich gebe zu die Spritzen zählen nicht unbedingt zu meinen besten Freunden. Aber hey, ich bin schon groß, habe eine Geburt hinter mir und bin jetzt stolze Mama. Da ist das doch ein Spaziergang !
Oder ?

Ich lag also auf dem Bett des Geschehens, mit meinem Baby im Arm, in Stellung einer gynäkologischen Untersuchung. Meine Freundin stets an meiner Seite und leistete seelischen Beistand. Die Ärztin gab sich mit Sicherheit größte Mühe, so vorsichtig wie möglich zu arbeiten. Aber bei jeder kleinsten Berührung im Genitalbereich zuckte ich zusammen. Ein Gefühl vergleichbar mit einer heißen Herdplatte, die nicht angefasst werden darf. Die Ärztin war gezwungen immer wieder einen neuen Ansatz zu finden. Mit der Spritze in der Hand und Schweißperlen auf der Stirn, übte sie viel Geduld mit mir.

Während ich zuckte, hatte ich zeitgleich angst, dass ich mein Baby fallen lassen könnte. Innerlich zerrissen und von Gewissensbissen geplagt, bat ich dann doch darum mein Kindlein in Sicherheit zu bringen. Dadurch war es mir möglich, die Konzentration auf mich zu lenken. Die Ärztin wirkte inzwischen hektisch. Als hätte sie einen Termin in Sachen geplante Kaiserschnitte. So war es wohl auch, denn plötzlich Stand ein Anderer vor mir. Ein Arzt, der liebevoll als " der Ägypter" bezeichnet wird, da er dem entsprechend etwas rassisch aussah. Er stellte sich mir vor und beruhigte mich mit seiner wohlklingenden Stimme. Trotz seiner warmen Hand, zuckte ich wie zuvor. Es war mir so unangenehm, dass ich mich einfach nicht beherrschen bzw. kontrollieren konnte.

Mein Kind lag ganz ruhig und alleine unter einer Rotlichtlampe, noch immer umgeben von den Handtüchern. So viel Stolz verspürte ich in Bezug zu meinem Kind, wo hingegen ich mich schämte und selbst schon verzweifelte. Dann raunzte mich meine Freundin an. Nahm meine Hand, sah mich an und befahl mir regelrecht was ich zu tun hatte. " Sieh mich an ! Atme tief ein ! und atme langsam aus ! Du schaffst das ! " Nach einer krampfhaft versuchten Beleidigung meinerseits, worüber sie nur lachte, tat ich wie sie mir befahl. Dann war es geschafft. Der Ägypter konnte die örtliche Betäubung setzen. So konnte ich buchstäblich in mühevoller Handarbeit wieder genäht werden. Das Nähen dauerte eine ganze Weile, aber das hatte auch ein Ende.

Als der Ägypter verkündete, er sei fertig, konnte ich es kaum glauben. Schlagartig löste sich eine ganze Felswand von meinem Herzen. Unendliche Dankbarkeit ließen mich bitterlich weinen. Ich konnte mich kaum beruhigen. So schön war es jetzt mein Kind zum zweiten mal in die Arme zu nehmen. Zu wissen " Jetzt ist alles gut ! " und da war es, das überschwänglichste und schönste Gefühl aller Gefühle. Ich schwebe bis heute noch im absoluten Mutterglück.

An dieser Stelle ein riesiges "Dankeschön" an meine Freundin, ohne die ich womöglich eine Vollnarkose bekommen, das erste Stillen verpasst, sowie wertvolle Zeit mit meinem Kind verloren hätte.
Auch ein großes "Dankeschön" an alle Ärzte, Schwestern und Hebammen sowie Geburtshelfer, was würden wir Muttis und die, die es noch werden wollen ohne euch machen ?

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